(„Der Herr ruft den Diener“)
Eine Meldung der Europäischen Umweltagentur (EEA) über einen angeblichen Rückgang der Emissionen des Autoverkehrs infolge der E-Auto-Neuzulassungen erweist sich als Fake News. Wie konnte es dazu kommen?
Am 10. Juni 2024 teilte die EEA mit (alle folgenden Zitate in deutscher Übersetzung):
„Neue Daten: CO2-Emissionen von neuen Pkw und Transportern gehen weiter zurück, da der Absatz von Elektrofahrzeugen in Europa steigt.“
Der Rückgang wird mit 1,4 % angegeben. Die EEA schreibt weiter:
„Diese vorläufigen Daten zeigen, dass im Jahr 2023 in Europa 10,7 Millionen neue Autos zugelassen wurden, was einem Anstieg von 13,2 % gegenüber 2022 entspricht. Fast ein Viertel dieser Neuzulassungen waren Elektroautos – entweder vollständig oder als Plug-in-Hybrid.“
23,6 % der Neuzulassungen entsprechen etwa 2,5 Millionen BEV und PHEV. Der Anteil dieses Zuwachses am gesamten Autobestand beträgt ca. 1 % .*1
Das sollte etwas aufmerksamere Leser stutzig machen: Wie können 1 % der Autos die Emissionen um 1,4 % verringern?
Mittels des von der EEA zur Verfügung gestellten Dashboards wagen wir einen Blick in die Datenquellen:

Und siehe da: Die Emissionen der E-Mobilität werden tatsächlich mit null angesetzt!
Spätestens jetzt sollten auch die nicht ganz so aufmerksamen Leser stutzen, da doch allgemein bekannt ist, dass in Europa noch einige Kohle-, Gas- und sogar Ölkraftwerke im Einsatz sind. Die Website Energy-charts.de bietet Daten für verschiedene Zeiträume an. Für 2023 wird berichtet:

Die fossilen Emissionen der Stromerzeugung komplett auszublenden, ist völlig indiskutabel.
Fehler Nr. 1: Der von der EEA genannte Wert von 0 g CO2/km für E-Autos ist eindeutig falsch
Es folgen die von der EEA angenommenen durchschnittlichen Emissionen neuer Diesel-Hybride:

Für neue Autos mit reinem Dieselantrieb werden fast vierfach höhere Werte angenommen:

Für Benziner zu Benzin-Hybriden ergibt sich ein Verhältnis von 133 zu 35 Gramm. So große Diskrepanzen lassen sich nicht nur mit den angeblich inexistenten Emissionen des Elektroantriebsmodus erklären. Um die Plugin-Hybride derart sauberzurechnen, muss außerdem noch die Annahme hinzukommen, dass diese weit überwiegend elektrisch gefahren werden.
In der Presse wird allerdings seit Jahren schon ausführlich darüber berichtet, dass dem nicht so ist. Kann es wirklich sein, dass dies der EEA entgangen ist?
Wir forschen nach. Zitat: „Weitere Informationen und Analysen zu diesen Daten werden von der Europäischen Kommission bereitgestellt.“
Ein Link führt zum folgenden Text. Dort kann man im zweiten Absatz lesen:
„Bei Plug-in-Hybrid-Elektrofahrzeugen waren die realen CO2-Emissionen im Durchschnitt 3,5 Mal höher als die Laborwerte, was bestätigt, dass diese Fahrzeuge ihr Potenzial derzeit nicht ausschöpfen, vor allem weil sie nicht so häufig wie angenommen voll elektrisch geladen und gefahren werden.“
Gibt es einen plausiblen Grund für die Annahme, die EEA-Mitarbeiter könnten dies schlicht übersehen haben?
Damit kommen wir zu
Fehler Nr. 2: Die EEA geht faktenwidrig von einem viel zu hohen Anteil des rein elektrischen Fahrens von PHEV aus
Sie können sich nicht vorstellen, dass EEA-Mitarbeiter bewusst die Unwahrheit schreiben? Das lässt sich aber nachweisen.
Die EEA pflegt auf ihrer Website ein Kapitel „Reale CO2-Emissionen von neuen Pkw und Kleintransportern“ mit einer aufschlussreichen Grafik:

Die blauen Punkte markieren PHEV verschiedener Hersteller. Je weiter links von der 45 Grad-Linie ein Punkt liegt, um so größer ist die Diskrepanz zwischen den rechnerischen Annahmen der EEA und der Realität.
Die EEA-Mitarbeiter haben diesen Zusammenhang also längst untersucht. Sie wissen sehr genau, was sie tun.
Sie können sich auch nicht damit herausreden, dass sie zurzeit gültige WLTP-Regelungen anwenden. Diese werden sich nämlich in Kürze ändern:
„Im Kern wird der Anteil überwiegend elektrisch zurückgelegter Kilometer ab dem 1. Januar 2025 kleiner als bisher … und ab 1. Januar 2027 … als noch kleiner angenommen.“
Wenn ich als Wissenschaftler weiß, dass die bisherige Norm mit der Wirklichkeit kollidiert, was mag dann wohl der Grund sein, nicht gleich die neuere Norm zu verwenden?
Fehler Nr. 3: Die EEA wendet wider besseren Wissens veraltete, realitätsfremde und die PHEV begünstigende Regeln zur Emissionsermittlung an
Fazit:
Die Behauptungen der EEA über die erfreulichen Folgen der Elektrifizierung der Fahrzeugflotte haben mit der Realität absolut nichts zu tun.
Die völlig indiskutable und faktenwidrige Vorgehensweise der EEA ist recht einfach zu erklären: Die Veröffentlichungen dieser Institution haben gar nicht den Zweck, über die tatsächlichen Wirkungen von „Klimaschutzmaßnahmen“ zu informieren. Sie sollen diese lediglich legitimieren. Das ist im Grunde nichts anderes als Agitation und Propaganda in staatlichem Auftrag.

Auch diese Fachkräfte sind jederzeit zu qualifizierten Dienstleistungen bereit
Die EEA hat nicht die Aufgabe, die Politik möglichst objektiv zu beraten. Vielmehr soll sie das industriepolitische Projekt Elektromobilität unterstützen und deren Markthochlauf beschleunigen. Dazu muss unbedingt ein ökologischer Vorteil suggeriert werden. Da es diesen de facto nicht gibt*2, werden die tatsächlichen Emissionen der zusätzlichen Stromverbraucher in den Pressemitteilungen der EEA verschleiert.
Damit entfällt leider auch eine mögliche Signal- oder Warnfunktion dieser Institution. Wenn Politiker aus schlichter Unkenntnis oder aufgrund von Lobbyeinflüssen Steuergelder in ökologisch unsinnigen Förderprojekten versenken wollen, wird die Öffentlichkeit sicher nicht durch die EEA darauf aufmerksam gemacht.
Ihre Mitarbeiter agieren als Kollaborateure der Politik – stets dazu bereit, die Wahrheit auf den Kopf zu stellen, um Publikationen mit politisch erwünschten Inhalten und dem Anschein wissenschaftlicher Seriosität zu liefern.
— Nachtrag:
Wer E-Auto-Fans oder -Lobbyisten auf diese Falschbehauptungen hinzuweisen versucht, sollte auf ein tief entspanntes und leicht hochmütiges Lächeln gefasst sein: „Ich bitte Sie – informieren Sie sich doch erst einmal etwas gründlicher, bevor Sie mir so naive Fragen stellen. Wissen Sie nicht, dass die Emissionen der Stromerzeugung durch ein CO2-Budget gedeckelt sind? Neue Stromverbraucher können daher gar keine erhöhten CO2-Emissionen auslösen.“
Die E-Auto-Blase glaubt fest an ein free lunch. Sie bildet sich ein, der Zertifikatehandel stelle sicher, dass andere Verbraucher die von ihnen verursachten Emissionen wieder einsparen müssen.
Tatsächlich kollidiert dieses Gedankenkonstrukt bei genauerem Hinsehen gleich an mehreren Stellen mit der Realität:
- Das CO2-Budget ist noch lange nicht ausgeschöpft. CO2-Zertifikate sind teurer als noch vor mehreren Jahren, seit Ende 2021 gibt es aber keine eindeutige Tendenz zu einer Preissteigerung. Der weitere Verlauf wird wie in der Vergangenheit stark von politischen Entscheidungen abhängen. Ein höherer Stromverbrauch bewirkt zwar tendenziell höhere Zertifikatpreise, aber natürlich nur um den Preis höherer Emissionen. Das Emissionshandelssystem ist weit von einer Deckelung entfernt.
- Selbst wenn steigende Zertifikatpreise Einsparungen auslösen und den Verbrauch importierter fossiler Brennstoffe senken sollten, dann werden diese aufgrund sinkender Nachfrage preisgünstiger und gerne von Verbrauchern in anderen Kontinenten abgenommen.*3 Die Emissionen werden damit nur verlagert (s. „Grünes Paradoxon“ v. Hanns-Werner Sinn).
- Außerdem darf der Mechanismus, der theoretisch eine Deckelung bewirken könnte, in der Praxis unter keinen Umständen jemals aktiviert werden. Zu einer tatsächlichen Begrenzung der Emissionen käme es nämlich erst dann, wenn die CO2-Zertifikate so knapp und teuer sind, dass die Energiepreise explodieren. Das würde die Wirtschaft erdrosseln.
Mehr dazu dort.
Eine Deckelung existiert nur in Papieren pseudowissenschaftlicher Vorfeldorganisationen der Grünen und in der Phantasie von EU-Wirtschaftsbürokraten.
Kai Ruhsert, 16. Juni 2024
Endnoten:
*1 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1451350/umfrage/pkw-bestand-europa/
*2 Siehe dort: „E-Autos sind in Deutschland eine miserable Klimaschutz-Maßnahme. Ich kann gar keine CO2-Vermeidungskosten berechnen, weil bis 2045 kein CO2 vermieden wird. E-Autos verursachen bis zum Kohleausstieg sogar zusätzliche CO2-Emissionen! Selbst nach dem Kohleausstieg sind sie fürs Klima nicht besser als ein Diesel. Die Emissionen werden dann lediglich vom Verkehrssektor in den Stromsektor verlagert.“
*3 Ausnahme: Deutsche Braunkohle. Diese würde in deutschem Boden verbleiben. Für die anderen fossilen Primärenergieträger gilt das aber nicht.
Bildquellen
- Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=899115
- Europäische Umweltagentur
- https://www.energy-charts.info
- Von Huhu Uet – Eigenes Werk, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=27247283

