Zwei Minuten, um die „Herkunft“ des Ladestroms zu verstehen

Dein Stromanbieter hat versprochen, dass Dein E-Auto keinen Kohlestrom erhält? Du glaubst, ab 100.000 km eine bessere CO2-Bilanz als mit einem Verbrenner zu haben? Falsch!

Beides beruht auf einem fundamentalen (und von interessierter Seite bewusst propagierten) Denkfehler. Dieser ist recht einfach zu durchschauen.

Ladestrom ist Durchschnittsstrom, der aus Fossil-, Atom- und Ökostrom bestehen kann. Gehen wir diese der Reihe nach durch und achten wir dabei vor allem auf die Herkunft der zusätzlichen Energie:

1.) Fossilstrom:
Vor Beginn des Ladevorgangs produzierten die Fossilkraftwerke gerade so viel Strom, wie nötig war, um den über Öko- und Atomstrom hinausgehenden Bedarf zu decken. Das E-Auto bezieht nun aber zusätzlichen Durchschnittsstrom. Folge: Die Fossilkraftwerke müssen natürlich mehr produzieren.

2.) Kernenergie (sofern vorhanden):
Dieser ist so billig, dass KKW meist mit voller Leistung laufen und nicht noch mehr produzieren können. Wenn die zusätzlichen E-Autos Durchschnittsstrom mit einem Anteil Kernenergie erhalten, droht im Netz eine Lücke.
Doch die Stromversorger sind darauf vorbereitet und können mit regelbaren Kraftwerken schnell reagieren. Schon aufgrund der EE-Vorrangregelung können dies aber keine Solar- oder Windkraftanlagen sein. Fast nur fossile Kraftwerke können ihre Leistung erhöhen, um auch den Kernenergie-Stromanteil auszugleichen.

3.) Nun zum Grünstrom:
Der Ladestrom enthält auch Ökostrom. Doch wer gleicht diese zusätzliche Energie im Netz wieder aus? Nur weil jemand sein Auto laden möchte, scheint die Sonne nicht heller und weht der Wind nicht stärker. Die Ökostromproduktion schwankt, ist aber nicht regelbar und kann nicht auf Zusatzbedarf reagieren. Dennoch erhält auch das E-Auto etwas Ökostrom.

Wo kommt der wohl her?
Ganz einfach: Dieser Grünstrom wird anderen Verbrauchern entzogen! Und damit keine Versorgungslücke entsteht, müssen die Versorger mittels regelbarer Kraftwerke gegensteuern. Auch der Ökostromanteil muss vollständig mit Fossilstrom ersetzt werden.

Fazit:
• Differenzstrom für zusätzliche Verbraucher muss immer nahezu vollständig durch die Hochregelung von Fossilkraftwerken erzeugt werden
Obwohl E-Autos mit Durchschnittsstrom geladen werden, der einen Anteil Grünstrom enthält, lösen sie damit im Stromerzeugungssystem die Produktion von Fossilstrom in der Menge des Ladestroms aus
• Ob die Ökostromquote zum Zeitpunkt des Ladevorgangs bei 10 oder 60 Prozent liegt, hat hierauf keinen Einfluss
• Seriöse Klimabilanzen müssen daher auf dem Differenzstrom, auch Marginalstrom genannt, basieren
• Korrigiert man diesen häufigen (fast schon zur Regel gewordenen) Fehler in Klimabilanzen und ersetzt den sachlich unhaltbaren Durchschnittsstrom mit einem plausiblen Fossilstrommix, so bleibt vom angeblichen CO2-Vorteil des E-Autos nichts übrig

Das gilt im Prinzip natürlich für jeden Stromverbraucher, z.B. auch für Kühlschränke. Sinnvoll ist die Marginalstrombetrachtung aber explizit nur für Klimabilanzen zusätzlicher Verbraucher, deren Auswirkungen auf die Energieversorgung bewertet werden sollen – wie z.B. von Elektro-Spaßmobilen.

Du denkst, das kann doch nicht sein, denn dann wäre es ja völlig verrückt, Milliarden in die E-Mobilität zu investieren? Nun, ich bin auch der Meinung, dass dieses Geld sinnvoller verwendet werden könnte.

Diese im Grunde recht einfachen Zusammenhänge sind unter Fachleuten übrigens völlig unstrittig. Doch nur unabhängige Experten sprechen diese Wahrheit auch aus. Wer hingegen auch zukünftig lukrative Aufträge für Transformationsprojekte akquirieren möchte, hält sich mit Kritik an der politisch gewollten Irreführung der Öffentlichkeit zurück.

Ein Punkt zum Schluss: Welche fossilen Kraftwerke sind es denn, die den Ladestrom ausgleichen?
Das konnte man im Krisenjahr 2020 sehen: Als der Strombedarf sank, regelten weltweit fast nur Kohlekraftwerke herunter. Gleiches würde passieren, trennte man schlagartig alle ladenden E-Autos vom Stromnetz ab.

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Was das für die wahren Treibhausgasemissionen der E-Autos bedeutet, hatte die EU noch bis 2019 der Öffentlichkeit auf einer ihrer EU-Webseiten korrekt dargestellt:


Der unterste Balken zeigt die extrem hohen Emissionen zusätzlicher Stromverbraucher an, die sich daraus ergeben, dass bei der Erstellung der Klimabilanz nur die Kraftwerke berücksichtigt werden, die auch tatsächlich den zusätzlichen Strom liefern.
Darin liegt der wahre Kern der Aussage: „E-Autos fahren mit Kohlestrom!“


Weitere vertiefende Texte von mir über den Marginalstrom:

Warum Durchschnittsstrom Studien über Elektroautos wissenschaftlich wertlos macht

Ein neuer und hoffentlich einfacherer Zugang zum Marginalstromansatz

Wer das alles lieber noch einmal in Ruhe von einem anderen Autor erläutert haben möchte, der den Begriff „Schwindel“ vermeidet, dem kann ich diesen hervorragenden Beitrag von Andreas Luczak, Professor für Regenerative Energien an der FH Kiel, empfehlen:
Mythen der Elektromobilität: Sinnvoller Klimaschutz oder teure Industriesubvention?

Und wer es ganz genau wissen will, den möchte ich schließlich doch auf mein Buch hinweisen.

Zuletzt geändert am 28.6.2023 alle Bilder mit Ausnahme der EU-Grafik stammen von pexels.com

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