Eine Grundgesetzänderung soll die Ziele obskurer Kampagnenorganisationen in der Verfassung verankern. Das würde jede zukünftige Regierung zwingen, die Deindustrialisierungspolitik der Ampel fortzusetzen – auch ohne Grüne in der Koalition.
Marktwirtschaftlich orientierte Politiker erkennen bis heute nicht, wann sie es mit Feinden und nicht mit rationalen Argumenten zugänglichen Gesprächspartnern zu tun haben. Sie lassen sich weiterhin widerstandslos am Nasenring durch die Manege führen. In der aktuellen Debatte, ob die Formulierung „zur Erreichung der Klimaneutralität 2045“ in das Grundgesetz aufgenommen werden soll, beweisen sie erneut Naivität – und leider wohl auch intellektuelle Unterlegenheit.
Schüler der unteren Mittelstufe verstehen sofort, dass auf die Worte „zur Erreichung von“ stets eine Zielvorgabe folgt. „Kimaneutralität 2045“ wäre damit implizit als nicht mehr zu hinterfragendes Staatsziel gesetzt, ohne es explizit zu sagen. Dem Bundesverfassungsgericht wird das als Basis für das nächste Skandalurteil allemal genügen. Es würde sich zu weitergehenden Entscheidungen (als 2021) ermuntert fühlen, und natürlich würde dies auch eine politische Lenkungswirkung haben.
Derart ambitionierte THG-Reduktionsziele können durch Effizienzsteigerungen und den Ausbau sogenannter erneuerbarer Energien nicht annähernd erreicht werden. Die ständigen Warnungen vor Zielverfehlungen würden zwangsläufig zu einer stark kontraktiven Wirtschaftspolitik führen. Das Bruttoinlandsprodukt würde politisch gewollt sinken. Dafür gäbe es aber keine parlamentarische Mehrheit, weshalb bereits jetzt versucht wird, einen gesetzlichen Handlungszwang zu schaffen.
Grüne Juristen scharren längst unruhig mit den Füßen und fordern, dies „auch gegen die träge Mehrheit durchzusetzen, denn das ist die originäre Aufgabe der Rechtsprechung, insbesondere der Verfassungsgerichtsbarkeit. Es wird Zeit, die juristischen Instrumente zu schärfen, denn die Freiheit der künftigen Generationen muss durch sofortiges Handeln gesichert werden.“
Dass diese Grundgesetzänderung ernsthaft diskutiert werden kann, belegt erneut die außerordentlich geschickte Verhandlungsführung der Grünen. Und es fügt sich nahtlos in eine Gesetzgebung ein, die zunehmend auf dubiosen, von interessierter Seite in Auftrag gegebenen „Studien“ ohne Peer Review basiert:
- Mit Millionenetats ausgestattete Lobbyorganisationen versorgen Politiker gezielt mit Auftragspapieren.
- Vertreter der Grünen in den Entscheidungsgremien verhindern die Einbeziehung unabhängiger Fachexperten.
- Die Regierung überlässt es faktisch NGOs und Kampagnenorganisationen, ihre Politikziele zu definieren – darunter die völlig absurde Agora-Forderung nach „Klimaneutralität 2045“.
Marktwirtschaftlich denkende Politiker stehen diesen gut koordinierten Lobbykampagnen naiv und hilflos gegenüber. Zwei Beispiele:
- Volker Wissing ließ sich in Brüssel bei seinem (angeblichen) Kampf gegen das Verbrennerverbot mit vagen Prüfungszusagen abspeisen, während Frans Timmermans sich ins Fäustchen lachte.
- Beim Atomausstieg wurden Fachmeinungen ins Gegenteil verkehrt, um den Bundestag zu Entscheidungen zu bewegen, die Partikularinteressen bedienen und volkswirtschaftlichen Schaden anrichten.
Nun wiederholt sich dieses Spiel mit Friedrich Merz in der Hauptrolle.
Nachtrag:
Der Rechtsanwalt Rainer Venino schrieb am 16. März 2024 auf X:
Es kommt da noch etwas hinzu: Der Beschluss des BVerfGs vom 24.3.2021 ist durchaus auf Kritik in der Fachwelt gestoßen. Der ehemalige Verfassungsrichter Müller hat auch mal erklärt, die Ziele des Pariser Abkommens seien ohnehin nicht mehr erreichbar.
Vor diesem Hintergrund bestand die Hoffnung, dass das Bundesverfassungsgericht diesen Beschluss korrigiert/klarstellen wird. Diese Korrektur wird mit der jetzt vorgeschlagenen Verfassungsänderung erschwert, möglicherweise unmöglich gemacht.
Zweiter Nachtrag:
Der Verfassungsrechtler Franz Josef Lindner von der Uni Augsburg schrieb dazu am 17. März 2025 (ebenfalls auf X):
Die Grünen haben „Klimaneutralität 2045“ im Text des Grundgesetzes durchgesetzt, weil sie genau wissen, dass es einen entscheidenden Unterschied macht, ob es „nur“ im Gesetz oder in der Verfassung selbst steht. Sie und insbesondere auch NGOs haben damit nicht nur einen gewaltigen politischen Hebel („steht doch im Grundgesetz, deshalb müssen wir jetzt sofort und in aller Konsequenz….“, Demos „2045 ist jetzt“), sondern auch einen erheblichen juristischen Ansatz, aus ihrer Sicht unzureichenden Klimaschutz gerichtlich zu beanstanden, nicht nur beim BVerfG, sondern zB auch verwaltungsgerichtlich.
Es ist angesichts der bisherigen dogmatischen Weiterentwicklungsfreudigkeit des BVerfG fernliegend zu glauben, Art. 143h GG bleibe dauerhaft auf eine rein finanzverfassungsrechtliche Zweckbindungsfunktion beschränkt. Man sieht die Formulierungen doch schon vor sich, zB: „In Art. 143 h GG hat der verfassungsändernde Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass er dem Ziel der Klimaneutralität eine besondere zeitliche Dringlichkeit beimisst. Auch wennn es sich nicht um eine selbständige Staatszielbestimmung handelt, haben sich Gesetzgeber und Verwaltung am Verfassungsrang der zeitlichen Zielsetzung 2045 zu orientieren und die Effektivität der Maßnahmen daran auszurichten. Diese verfassungsrechtliche Zeitvorgabe ist maßgeblich auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen“ u.s.w. u.s.w.
Das ist der Hebel. Und deswegen jubeln die Grünen. Aus ihrer Sicht zu recht. Sie waren offensichtlich verfassungsrechtlich viel besser beraten als die Union, die die verfassungsrechtliche Sprengkraft von „2045“ offenbar immer noch nicht kapiert hat (jedenfalls legen das die aktuellen Einlassungen von Merz und Dobrint nahe). Bis morgen ist noch Zeit, um „2045“ ZU STREICHEN.
Bildquelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/1/1a/Cow_ring.jpg/1280px-Cow_ring.jpg

