Professorale Reklame für Elektroautos in „Auto, Motor und Sport“ – Teil II

Am 27.10.2021 erschien ein AMS-Beitrag mit dem Anspruch, über „Die Wahrheit über E-Fuels“ aufzuklären. Der Artikel ist zum großen Teil durchaus informativ, muss aber dennoch kritisch gelesen werden. Es folgt eine detaillierte Kritik:

1.) Zu den Kosten der CO2-Abscheidung werden höchst selektive Angaben gemacht.

Zitat: Allerdings ist die Abscheidung von CO2 aus der Luft noch energieintensiv und teuer. Eine Studie von 2018 spricht je nach Verfahren von etwa 500 Euro pro Tonne und einem möglichen Zielpreis von 80 bis 100 Euro im Jahr 2030.“

Damit wird der Eindruck erweckt, das stelle die Rentabilität in Frage.
Nicht gesagt wird, dass einer Studie im Auftrag des Ministeriums für Verkehr Baden-Württemberg zufolge selbst 100 €/t nur etwa 17 % des Endpreises von 1,53 €/L ausmachen, sofern der Strom in Regionen mit viel Wind oder Sonne zu 20 €/MWh produziert wird.

2.) Es finden sich richtige und dennoch irreführende Behauptungen.

Zitat: „Darum bringen Verbrenner mit E-Fuels, die mit Strom aus dem deutschen Quellenmix (2018) hergestellt sind, keine CO2-Einsparung.“

Das ist aber doch gerade der Grund, warum Synfuels selbstverständlich im sonnen- oder windreichen Ausland produziert werden sollen. Und dies wiederum ist die einzige Möglichkeit, den Fahrzeugbestand zu defossilisieren.

3.) Es folgt eine auf falschen Annahmen basierende Schlussfolgerung:

E-Autos sparen hingegen über die Laufzeit auch CO2, wenn ihr Fahrstrom nicht ausschließlich aus regenerativen Quellen stammt.“

Der Link führt zu einem Artikel, in dem die Emissionen der Batterieherstellung durch die systematisch fehlerhafte Anwendung des Durchschnittsstrommixes kleingerechnet werden, wie dieses Zitat belegt: „Den gesunkenen Wert erklärt die Studie damit, dass die Batteriefabriken jetzt besser ausgelastet sind, dadurch effizienter arbeiten und dass der benötigte Strom zunehmend “grün„ entsteht.“
Tatsächlich wird bislang nur der irrelevante Durchschnittsstrom sauberer, nicht der Grenzstrom.

4.) Es werden Quellen verwendet, die einer kritischen Überprüfung nicht standhalten.

Zitat: „An der unter „Sind E-Fuels CO2-ärmer als E-Autos“ gezeigten Grafik des ICCT lässt sich erkennen, dass mit E-Fuels betriebene Verbrenner nach 150.000 Kilometer doppelt so viel CO2 emittieren wie ein E-Auto – berechnet mit dem deutschen Strommix von 2018.“

Zu diesem indiskutablen Pamphlet sollte hier alles gesagt sein:
„Nahezu alle E-Auto-freundlichen Studien setzen sich dreist über das einfache Faktum hinweg, dass bei Entfall des Ladestrombedarfs noch für Jahrzehnte fast nur fossile Kraftwerke ihre Leistung verringern würden – so auch die ICCT-Autoren. Auch sie verwenden unbekümmert die Emissionen des Durchschnittsstroms; es ist ausschließlich vom „average electricity mix“ die Rede.
Durchschnittsstrom enthält auch Ökostrom – der aufgrund des regulatorischen Vorrangs für Strom aus Erneuerbaren Energien bereits Abnehmer hat. Wenigen nur ist bewusst, dass diese Vorgehensweise bilanziellen Grünstromdiebstahl bedeutet, denn bei methodisch sauberer Bilanzierung müssen die anderen Verbraucher dann etwas schmutzigeren Strom beziehen. Dieser Effekt des zusätzlichen Verbrauchers Elektroauto wird einfach ausgeblendet.“

5.) Die AMS hat Experten konsultiert. Dabei zeigt sich erneut, wie sehr es darauf ankommt, wen man fragt.

Zitat: Professor Maximilian Fichtner vom Helmholtz-Institut Ulm taxiert den Gesamtwirkungsgrad (well-to-wheel) schon beim Brennstoffzellen-Auto (FCEV) auf nur 15 bis 18 Prozent, beim batterieelektrischen (BEV) auf immerhin 70 Prozent.“

70 Prozent wird von vielen Quellen als Tank-to-wheel-Wirkungsgrad des BEV angegeben. Diese Merkwürdigkeit ist schnell erklärt: Fichtner blendet einfach aus, dass der Zusatzstrom für E-Autos noch für lange Zeit fossil erzeugt werden muss. Das ist nicht verwunderlich, ließ er sich doch schon in der Vergangenheit zu recht absonderlichen Bemerkungen wie dieser hinreißen:
Es wäre im Gesamtsystem daher sogar effizienter, Diesel in ein Kraftwerk zu schütten und zu verstromen, um damit E-Autos zu laden, als ihn im Auto mit einem schlechteren Wirkungsgrad zu verfahren“, sagt Max Fichtner, Professor für Energiespeichersysteme am HelmholtzInstitut in Ulm und am Karlsruhe Institut für Technologie.

Damals hatte er die Wirkungsgradverluste aufgrund des Eigenbedarfs der Kraftwerk, der Stromübertragung und des Lademanagements ausgeblendet.

Fichtner wird ein weiteres Mal zitiert:
Professor Fichner rechnet, dass für die Herstellung von einem Liter E-Diesel aus CO2 und Wasserstoff 27 kWh Strom nötig sind. Damit fahren selbst große E-SUV mehr als 100 Kilometer weit. Sparsame E-Autos kommen mit der Energiemenge, die im E-Diesel steckt, 10 mal weiter.“

Dass zur Aufladung zusätzlich herbeisubventionierter Stromverbraucher wie E-Autos in Wahrheit noch für Jahrzehnte überhaupt kein Grünstrom überschüssig sein wird, sagt er den Lesern nicht. Doch allein die chemische Industrie wird zur Entfossilisierung mehr Grünstrom benötigen, als zurzeit alle Kraftwerke zusammen liefern können. Der Strom für E-Autos wird daher nur aus der Rückverstromung importierter Synfuels gewonnen werden können – womit Fichtners Argument kollabiert.

Kurz darauf steuert Fichtner noch ein weiteres Scheinargument bei:
„Für 1 Kilo Wasserstoff sind laut Professor Maximilian Fichtner vom Helmholtz-Institut Ulm 9 Liter Reinstwasser nötig – wenn das beispielsweise in sonnenreichen Wüsten zur Solarstromerzeugung aus dem Meer kommen soll, ist weitere Energie für Entsalzung erforderlich.“

Gegenrede:
„Wasser für Hydrolyse würde aus Meerwasser gewonnen, der Energieaufwand dafür ist mit ca. 0,04 kWh/kg H2 vernachlässigbar gering.“
Quelle: SAC Automotive, eigene Berechnung basierend auf BMVI, Ludwig-Bölkow-Systemtechnik

Zum Schluss wird es unfreiwillig komisch:
Eine Abschätzung zeigt zudem, dass die Produktion von E-Fuels in nennenswerten Mengen für viele Bestands-Pkw zu spät kommen dürfte: Porsche plant in Chile 2026 zwar 550 Millionen Liter herzustellen. Das entspricht aber nur 1 Prozent des Kraftstoffverbrauchs in Deutschland.“

Das erste Projekt eines ersten Unternehmens wird bereits ein Prozent des deutschen Verbrauchs decken können. Ist das bei genauerem Hinsehen nicht eine vielversprechende Nachricht, die etwa das Gegenteil dessen belegt, was der Autor zu sagen versucht?

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Hinweis: In Teil I hatte ein Prof. Doppelbauer die Werbetrommel für E-Autos rühren dürfen.

Bildquelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Auto_motor_und_sport#/media/Datei:Auto,_Motor_und_Sport.svg

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