Das International Transport Forum – ein Wolf im Schafspelz

Die Verteidiger des Verbrennerverbots haben keinen Grund zur Beunruhigung. Alle relevanten Organisationen sind fest in ihrer Hand, darunter auch das ITF – das einzige Gremium, das sich auf globaler Ebene mit allen Verkehrsträgern befasst.

„Dass die EU das Aus für den Verbrenner besiegelt und damit dem Siegeszug chinesischer Batterieautos in Europa den Weg bereitet hat, steht beispielhaft für die Übergriffigkeit und Inkompetenz der gegenwärtigen EU-Institutionen.“ *1

Damit zumindest hat Sahra Wagenknecht recht. Tatsächlich ist es sogar noch viel schlimmer. EU-Institutionen haben mit dieser Übergriffigkeit und Inkompetenz inzwischen auch globale Organisationen infiziert und Lobbys mehr Einfluss denn je zuvor verschafft. Ein Beispiel dafür sind die Handlungsanweisungen des „International Transport Forum“ an die Politik („Top recommendations“ genannt):*2

Darin wird postuliert (alle Zitate in deutscher Übersetzung): „Die Abkehr von herkömmlichen Diesel-Lkw ist für die Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs und die Verringerung der Luftverschmutzung unerlässlich.“
Zur Begründung wird behauptet: „Ein Vergleich der globalen durchschnittlichen Treibhausgasemissionen verschiedener Technologien hat gezeigt, dass die Kohlenstoffintensität neuer Elektro-Lkw während ihrer Lebensdauer um 40 % niedriger ist als die von herkömmlichen Diesel-Lkw (ITF, 2021; Basma et al., 2023).“

Die erste Quelle fehlt in diesem Papier. Dem Titel nach scheint es dieses Papier des ICCT (International Council on Clean Transportation) zu sein: „A comparison of the life-cycle greenhouse gas emissions of European heavy-duty vehicles and fuels“*3

Eine Durchsicht ergibt indes rasch, dass es sich dabei um eines der üblichen Greenwashing-Auftragspapiere handelt. Durch die Anwendung des Mittelwertansatzes (anstelle des Marginalansatzes) soll vertuscht werden, dass zusätzlicher Strombedarf v.a. von fossilen Kraftwerken gedeckt wird.*4

Die Dreistigkeit der Autoren verblüfft

Sie versuchen gar nicht erst, die Manipulationen zu verbergen, die nötig sind, um Elektro-Lkw eine bessere Klimabilanz zu bescheinigen: „Einige Werte, wie z. B. die ILUC-Emissionen, die bei der Biokraftstoffproduktion entstehen, schätzen wir mit Hilfe eines konsequentiellen LCA-Ansatzes.“ (ILUC = indirect land-use change)
Der „konsequentielle LCA-Ansatz“ ist ein Marginalansatz. Dieser ist grundsätzlich auf alle Zusatzbedarfe anzuwenden. Hier wird er aber nur auf die Biokraftstoffe angewandt und ausdrücklich nicht auf den Strom für die Elektro-Lkw: „In dieser Studie gehen wir davon aus, dass die Treibhausgasintensität von Netzstrom den durchschnittlichen Netz-THG-Emissionen des EU-Netzmixes entspricht.“
Der Grund ist einfach: Die Emissionen von Grenzstrom sind etwa doppelt so hoch wie die von Durchschnittsstrom, was die Klimabilanz des Elektro-Lkw erheblich verschlechtern würde. Dieses Ergebnis ist politisch nicht gewollt.
Die Autoren haben ihre Methodik angepasst, um das vorgegebene Ziel zu erreichen. Der wissenschaftliche Schein bleibt gewahrt, doch das Ergebnis ist – Propaganda.

Aus einem anderen Absatz geht klar hervor, dass dieser systematische Fehler nicht auf mangelndes Fachwissen zurückzuführen ist. Die Autoren wissen genau, was Marginalstrom ist: „Die erhöhte Stromnachfrage aufgrund der verstärkten Nutzung von Elektrofahrzeugen unterscheidet sich von der erhöhten Grenzstromnachfrage während der Spitzenlastzeiten; Elektrofahrzeuge werden auch außerhalb der Spitzenlastzeiten geladen.“

Das stimmt. Die Zusammensetzung des Marginalstroms zu ermitteln, ist daher eine anspruchsvolle Aufgabe. Der Mittelwertansatz jedoch impliziert, dass die Emissionen der Kraftwerke lastunabhängig sind. Das ist eindeutig falsch, und das wissen diese Autoren natürlich. Sie lügen einfach.

Um was für eine Organisation handelt es sich eigentlich beim International Transport Forum?

„Als Nachfolgeorganisation der 1953 gegründeten Europäischen Konferenz der Verkehrsminister (Europäische Verkehrsministerkonferenz) entstand das ITF im Jahr 2006. Durch die Umwandlung der ECMT von einer primär europäischen Institution in ein ‚globales Forum‘, die Schaffung von Partizipationsmöglichkeiten für unterschiedliche Stakeholder und die Öffnung für die interessierte Öffentlichkeit entwickelte sich das ITF zu einer Kommunikationsplattform für alle Aspekte von Verkehr, Logistik und Mobilität.“ *5

Dieses Gremium war von Anfang an kein Ort der demokratischen, von Partikularinteressen möglichst unabhängigen Diskussion und Meinungsbildung, im Gegenteil: „Die Schaffung von Partizipationsmöglichkeiten für unterschiedliche Stakeholder“ *6 machte den Weg frei für Kampagnenorganisationen. Das ITF entwickelte sich schließlich zu einem wertvollen Werkzeug für Lobbyisten der E-Mobilität – darunter das ICCT, welches das oben zitierte Papier herausgab und in ein Netzwerk von Kampagnenorganisationen eingebunden ist:

Das ICCT ordnet sich auf der eigenen Homepage selbst in dieses Beziehungsgeflecht ein:*7

Experten, die keine Interessen von Kampagnentruppen bedienen wollen, sagen offen, dass es grotesker Unsinn ist, Lkw die Antriebsenergie in schweren Speichern geringer Dichte mitführen zu lassen:

  • Die Nutzlast je Fahrzeug sinkt
  • E-Lkw erfordern wirtschaftlich unvertretbare Ladepausen
  • Die Ladestationen benötigen noch viel höhere Leistungen als E-Autos. Die Aufwände für den Netzausbau werden der Gesellschaft als externalisierte Kosten aufgebürdet.
  • Diesel-Lkw sind um einiges effizienter als Pkw. Wenn schon E-Autos bei Anwendung des sachlich gebotenen Marginalansatzes keine bessere Klimabilanz haben,*8 dann E-Lkw erst recht nicht. Damit ist jeder in E-Lkw investierte Euro oder Dollar für den Klimaschutz verlorenes Geld.

Das wissen natürlich auch die Autoren des ITF, allesamt ausgewiesene Fachleute. Deshalb kann es ihnen nicht in erster Linie darum gehen, die Emissionen der Lkw zu reduzieren – ebenso wenig wie bei den Pkw. Tatsächlich will niemand ernsthaft die gesamte Verbrennerflotte elektrifizieren. Man will die Transformation nutzen, um den privaten Autoverkehr massiv einzuschränken. Dieses Ziel dürfte auch beim Lkw im Vordergrund stehen: Der Gütertransport per Lkw soll so aufwändig und teuer werden, dass er möglichst unterbleibt.

Das ITF war nicht immer so eindeutig pro E-Mobilität ausgerichtet:

  • 2010 hat es deren Nachteile noch klar benannt: „Die Batterien, die diese Motoren antreiben, werden jedoch mit Strom aus dem Stromnetz aufgeladen, der auch durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe erzeugt werden kann.“
  • In einer anderen Publikation aus demselben Jahr hieß es: „Die Elektromobilität mag ein Teil der Lösung für die Dekarbonisierung des Verkehrs sein, aber sie ist kein Allheilmittel.“
  • Man war von E-Autos sogar etwas enttäuscht: „Die CO2-Minderungen bleiben stets gering.“

Der Schwenk zur E-Mobilität erfolgte 2018 mit diesem Dokument: Policy Priorities for Decarbonising Urban Passenger Transport. Das Ziel der „Entwicklung kohärenter Elektromobilitätsstrategien für urbane Räume“ wurde etwa ab diesem Zeitpunkt nicht mehr diskutiert.

Die koordinierten Machenschaften all der Denkfabriken und NGO haben schließlich zu Gesetzen geführt, unter denen viele gesellschaftliche Gruppen zu leiden haben – darunter Konsumenten und Produzenten. Beide Gruppierungen stehen der hochprofessionellen Lobbyarbeit innerhalb des ITF naiv und vollkommen hilflos gegenüber. Da sie das Spiel nicht durchschauen, wissen sie nicht, wie ihnen geschieht. Sie ahnen nicht einmal, dass sie sich sofort und dringend wehren müssen – und schon gar nicht wissen sie, was sie überhaupt tun könnten.

Die Folge:
Geringqualifizierte Politiker in Entscheiderpositionen werden von allen Seiten mit E-Mobilitäts-Propaganda bombardiert. Mangels ökonomischer und naturwissenschaftlicher Bildung können sie diese nicht als solche erkennen. Sie sind willenlose Objekte der Manipulation durch Lobbygruppen und nicken im Grunde nur noch gut vorbereitete Gesetzesentwürfe ab.

Auf diese Weise ist es zu den Flottengrenzwerten wie auch zum Verbot von Verbrennungsmotoren gekommen.

—Endnoten

*1 https://www.n-tv.de/politik/Wagenknecht-will-Verbrenner-Aus-rueckgaengig-machen-article24854195.html

*2 https://www.itf-oecd.org/low-emission-trucks

*3 https://theicct.org/publication/lca-ghg-emissions-hdv-fuels-europe-feb23/

*4 Global wurden 2022 über 60 % in fossilen Kraftwerken erzeugt; fast 40 % durch die Verbrennung von Kohle und Öl. Siehe hierzu: https://www.tech-for-future.de/energie-welt/#easy-footnote-6-3366

*5 https://de.wikipedia.org/wiki/International_Transport_Forum#Kritik

*6 Zitat aus „Renewed Mandate of the International Transport Forum“ (Hervorhebung von mir): „The ITF realises its objectives through: … Co-operation with global actors of the corporate world and other international stakeholders in the transport sector or related sectors in the identification of emerging transport policy issues and innovation challenges, as well as other relevant transport policy analysis. … More generally, acting as a platform for the discussion and pre-negotiation of strategic and non-technical issues among member countries and with the relevant stakeholders, providing opportunities for networking and collaboration.
Organisationen aller Art können nach Artikel 4.2 der General Rules of the ITC einen Gaststatus erhalten. Das machte den Weg frei für Einflussnahme durch wen auch immer.

*7 https://theicct.org/

*8: Überraschenderweise sind in Deutschland Elektroautos nicht klimafreundlicher als Diesel oder Benziner. E-Autos stoßen sogar mehr CO2 aus, wenn man den realistischen Marginalstrom-Ansatz nimmt. … Selbst nach dem Kohleausstieg sind sie fürs Klima nicht besser als ein Diesel. Quelle: https://www.tech-for-future.de/elektroautos/

Bildquelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Harikalar_Diyari_Wolf_grandma_06044_nevit.jpg?uselang=de

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