Neue „Studie“ des ICCT

Weitere affirmative Begleitforschung zur Elektromobilität

(English version below)

Die SZ berichtete am 21. Juli 2021:
„Erst kürzlich hatte etwa eine internationale Forschergruppe um Thomas Koch vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit einem offenen Brief nach Brüssel und einem Positionspapier für den Dieselmotor geworben mit dem Argument, der zusätzliche Bedarf durch Elektroautos mache die gesamte Stromproduktion schmutziger – was Experten allerdings umgehend entkräfteten.“

Es geht um eine Veröffentlichung mit dem Titel A global comparison of the life-cycle greenhouse gas emissions of combustion engine and electric passenger cars
(Herausgeber ist das International Council on Clean Transportation*).

Koch & Co. sind vom ICCT widerlegt worden?! Das möchten wir doch etwas genauer wissen.
Anders als im SZ-Beitrag angedeutet, haben die Professoren Thomas Koch und Thomas Böhlke vom KIT keineswegs nur einen offenen Brief und ein Positionspapier (mit)verfasst. Tatsächlich haben sie in der Zeitschrift für Angewandte Mathematik und Mechanik eine Arbeit mit dem Titel „The averaging bias – a standard miscalculation, which extensively underestimates real CO2 emissions“ veröffentlicht (incl. Peer-Review). Darin erbringen sie den (bislang von niemandem angezweifelten oder gar widerlegten) mathematischen Nachweis, dass zusätzlicher Strombedarf die Ökostromquote verringert. Grund: Zusatzbedarf kann nur von regelbaren Residuallastkraftwerken gedeckt werden. Dass dies noch mindestens bis in die Mitte der dreißiger Jahre fast ausschließlich fossile Kraftwerke sein werden, ist Basiswissen, das vor kurzem erst wieder empirisch bestätigt wurde. Die Denkfabrik AGORA berichtet über das Jahr 2020:
„Insbesondere die Kohleverstromung erreichte einen neuen Tiefststand seit Beginn der ganzheitlichen Aufzeichnung im Jahr 1990. … Der Nachfragerückgang wirkte sich fast ausschließlich auf die fossile Ener­gieerzeugung aus, da diese in der Merit-Order – die Einsatzreihenfolge der Kraftwerke beim Verkauf von Strom an der Börse – hinter den Erneuerbaren Energien stehen und somit als erste ihre Erzeugung reduzieren.“

Nun „wissen“ die Kraftwerke aber nicht, welche Verbraucher ihren Strombedarf erhöhen oder verringern. Strombedarfsänderungen aufgrund neu hinzukommender oder entfallender Produkte haben stets den gleichen Effekt. Nicht nur in Deutschland bedeuten mehr E-Autos daher – mehr Fossilstrom. Ohne E-Autos sänke der Fossilstrombedarf.

Nahezu alle E-Auto-freundlichen Studien setzen sich dreist über das einfache Faktum hinweg, dass bei Entfall des Ladestrombedarfs noch für Jahrzehnte fast nur fossile Kraftwerke ihre Leistung verringern würden – so auch die ICCT-Autoren. Auch sie verwenden unbekümmert die Emissionen des Durchschnittsstroms; es ist ausschließlich vom „average electricity mix“ die Rede.
Durchschnittsstrom enthält auch Ökostrom – der aufgrund des regulatorischen Vorrangs für Strom aus Erneuerbaren Energien bereits Abnehmer hat. Wenigen nur ist bewusst, dass diese Vorgehensweise bilanziellen Grünstromdiebstahl bedeutet, denn bei methodisch sauberer Bilanzierung müssen die anderen Verbraucher dann etwas schmutzigeren Strom beziehen. Dieser Effekt des zusätzlichen Verbrauchers Elektroauto wird einfach ausgeblendet.

Der Wert der Veröffentlichung von Koch & Co. besteht darin, genau diesen Schwindel aufzudecken und darauf hinzuweisen, dass wie alle anderen neuen Stromverbraucher auch die Elektromobilität die Ökostromquote belastet. Klimabilanzen, die diesen Punkt ignorieren, sind wissenschaftlich wertlos. Diese Kritik betrifft auch das ICCT-Papier. Es ist tatsächlich nicht mehr als alter Wein in neuen Schläuchen – Reklame für E-Autos, kaum über dem Niveau eines Auke Hoekstra.

In der Zusammenfassung postuliert das ICCT für heute gekaufte Elektroautos Treibhausgaseinsparungen von 66 bis 69 % im Vergleich zu Benzinern. Dieser sehr hohe Wert kommt u.a. dadurch zustande, dass der Kardinalfehler der Durchschnittsstromemissionen auch auf die Akkuherstellung übertragen wird. Bei ehrlicher Rechnung mit Marginalstromemissionen sind allerdings bereits die Fahremissionen von Elektroautos so hoch, dass die Emissionen der Akkuherstellung keine wesentliche Rolle mehr spielen können und das Ergebnis sich umkehrt, siehe z.B. hier:

Quelle: Der Elektroauto-Schwindel – Wie Greenwashing-Studien die Energiewende verzögern

Da die Klimabilanz des E-Autos nur von den Emissionen des Marginalstroms abhängt, ist auch die Verheißung des ICCT, das E-Auto werde gemeinsam mit dem Durchschnittsstrom im Laufe der Jahre immer sauberer werden, Resultat eines banalen Folgefehlers.

Bei so fundamentalen inhaltlichen Schwächen wundert es nicht, dass die Sichtweise der ICCT-Autoren auf e-Fuels auf die Betrachtung technischer Wirkungsgrade verengt ist:
Driving diesel cars on e-fuels corresponds to a six times higher energy demand than when using the electricity in BEVs. Thereby, using e-fuels in passenger cars requires even more renewable energy than using green hydrogen (Ueckerdt et al., 2021). Furthermore, due to the high energy consumption of their production, e-fuels are expected to require strong policy support of €3 per liter diesel equivalent (Searle & Christensen, 2018). As this policy support is currently not foreseeable, e-fuels are not considered in the baseline of this study.“

Dass die Kosteneffizienz sich mit der Verlagerung der Produktion in Länder mit viel Sonne und Wind stark verbessert, bleibt unerwähnt (mehr dazu z.B. hier). Die politische Unterstützung für e-Fuels wird unter Berufung auf solche Papiere abgelehnt.

Gemeinsamer Zweck solcher Schriften ist es, Entscheider in Politik und Wirtschaft anzuhalten, unbeirrt am E-Auto-Kurs festzuhalten. Zitat:
„To align with Paris Agreement targets, the registration of new combustion engine vehicles should be phased out in the 2030–2035 time frame.“

Die SZ-Redakteure Max Hägler und Marlene Weiß behaupten, das ICCT-Papier entkräfte die Argumente von Koch & Böhlke.
Offensichtlich stellen die englische Sprache und die vielen Formeln des Papiers von Koch & Böhlke für manche eine unüberwindliche Verständnishürde dar. Dabei ist der Inhalt eigentlich überschaubar. Im Grunde wurde nur nachgewiesen, dass es einen schweren methodischen Fehler darstellt, in Klimabilanzen zu ignorieren, dass zusätzliche Stromnachfrage die Ökostromquote senkt (wie weiter oben erläutert). Zu behaupten, dies werde vom ICCT-Papier „entkräftet“, ist blanker Unsinn.

Die SZ-Autoren scheinen die Hintergründe des Themas nicht einmal ansatzweise verstanden zu haben. Ihr Beitrag ist kaum mehr als ein Ausdruck von Freude über weitere Werbung für E-Autos von wissenschaftlicher Seite.

Bildquelle des ICCT-Logos: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/b/b9/Icct_logo.png

*) Finanziert von der ClimateWorks Foundation, die William and Flora Hewlett Foundation, die Energy Foundation und die David and Lucile Packard Foundation

— Nachtrag:

Am 3. August erschien hierzu in FOCUS ein lesenswerter Beitrag:

Neue Elektro-Studie unter der Lupe: Wie Stromer schöngerechnet werden

Zitate daraus:
„Für FOCUS Online hat Prof. Dr. Alexander Eisenkopf, Wirtschafts- und Verkehrsexperte von der Zeppelin-Universität Friedrichshafen die ICCT-Studie ausgewertet und hält sie in vielen Punkten für wenig aussagekräftig. …
Die ICCT-Studie verwendet zu viele optimistische Annahmen und lässt gleichzeitig zu viele Aspekte – etwa Fortschritte bei der Verbrenner-Technologie oder die CO2-Reduzierung durch synthetische Kraftstoffe – weg, um tatsächlich als das endgültige Argument für einen reinen Elektro-Kurs zu dienen, als die sie vermarktet wird.“

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Ganz ausgezeichnet ist auch dieser Beitrag im Blog „Achse des Guten“ von Prof. Alexander Eisenkopf:
Elektromobilität: Deutschlands bunteste Kirmes

Zitate daraus:
Im Wolkenkuckucksheim der Blase der Energie- und Mobilitätswende ist jeden Tag Kirmes, und das DIW, Hand in Hand mit den ICCT-Aktivisten, betreibt eines der buntesten Karussells auf dem Platz.
Was daherkommt wie eine wissenschaftlich fundierte und seriöse Untersuchung, erweist sich bei näherer Betrachtung allerdings als typische Lobbystudie. Es gilt wie häufig bei solchen Werken das Prinzip: Garbage in – Garbage out.  … Der zentrale wunde Punkt der Studie ist die Annahme, dass die Elektrofahrzeuge in Deutschland den aktuellen Durchschnittsstrom tanken …“

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———————- English version:

New „study“ by the ICCT

More affirmative accompanying „research“ on electromobility

The SZ reported on 21 July 2021:
„Only recently, for example, an international group of researchers led by Thomas Koch of the Karlsruhe Institute of Technology (KIT) wrote an open letter to Brussels and a position paper promoting the diesel engine, arguing that the additional demand from electric cars would make the entire electricity production process dirtier – which experts immediately refuted.“ (translated into Engish)

The paper in question is entitled A global comparison of the life-cycle greenhouse gas emissions of combustion engine and electric passenger cars
(published by the International Council on Clean Transportation*).

Koch & Co. have been debunked by the ICCT?! We would like to know that a little more precisely.

Contrary to what is implied in the SZ article, professors Thomas Koch and Thomas Böhlke from KIT have not only (co-)written an open letter and a statement. In fact, they have published a paper in the Journal of Applied Mathematics and Mechanics entitled „The averaging bias – a standard miscalculation, which extensively underestimates real CO2 emissions“ (incl. peer review). In this paper, they provide mathematical proof (which has not yet been challenged or even refuted by anyone) that additional electricity demand reduces the green electricity quota. The reason: additional demand can only be met by controllable residual load power plants. The fact that these will be almost exclusively fossil-fuel power plants until at least the mid-2030s is basic knowledge that was only recently confirmed again empirically. The think tank AGORA reports on the year 2020:
„In particular, coal-fired power generation reached a new low since holistic record-keeping began in 1990. … The decline in demand affected fossil power generation almost exclusively, as these are behind renewables in the merit order – the order of use of power plants when selling electricity on the exchange – and thus are the first to reduce their generation.“ (translated into English)

However, the power plants do not „know“ which consumers are increasing or decreasing their electricity demand. Changes in electricity demand due to new products being added or dropped always have the same effect. Therefore, not only in Germany do more e-cars mean more fossil electricity. Without e-cars, the demand for fossil electricity would decrease.

Almost all e-car-friendly studies brazenly ignore the simple fact that if the need for charging power were eliminated, for decades to come almost only fossil-fuel power plants would reduce their output. The ICCT-authors also blithely use the emissions of average electricity; they only mention „average electricity mixes“.

Average electricity also includes green electricity – which already has customers due to the regulatory priority for electricity from renewable energies. Few people realise that this approach amounts to theft of green electricity from the balance sheet, because if the balance sheet is methodologically clean, the other consumers have to buy somewhat dirtier electricity. This effect of the additional consumer, the electric car, is simply ignored.

The value of Koch & Co.’s publication is to expose precisely this swindle and to point out that, like all other new electricity consumers, electric mobility also burdens the green electricity quota. Climate assessments that ignore this point are scientifically worthless. This criticism also applies to the ICCT paper. It is really nothing more than old wine in new bottles – advertising for e-cars, only slightly above the level of an Auke Hoekstra.

In its summary, the ICCT postulates greenhouse gas savings of 66 to 69 % for electric cars purchased today compared to petrol cars. This very high value is partly due to the fact that the cardinal error of average electricity emissions is also applied to battery production. However, with an honest calculation with marginal electricity emissions, the driving emissions of electric cars are already so high that the emissions from battery production can no longer play a significant role and the result is reversed, see e.g. here:

Source: Der Elektroauto-Schwindel – Wie Greenwashing-Studien die Energiewende verzögern

The green bar represents the low emissions of a French electric small car using the greenwashing methodology. This is followed by the diesel and petrol engine and then the actual marginal electricity emissions of the electric car.

Since the carbon footprint of the e-car depends only on the emissions of the marginal electricity, the ICCT’s promise that the e-car, together with the average electricity, will become cleaner and cleaner over the years is also the result of a banal consequential error.

With such fundamental weaknesses in content, it is not surprising that the ICCT authors‘ view of e-fuels is narrowed to a consideration of technical efficiencies:
„Driving diesel cars on e-fuels corresponds to a six times higher energy demand than when using the electricity in BEVs. Thereby, using e-fuels in passenger cars requires even more renewable energy than using green hydrogen (Ueckerdt et al., 2021). Furthermore, due to the high energy consumption of their production, e-fuels are expected to require strong policy support of €3 per litre diesel equivalent (Searle & Christensen, 2018). As this policy support is currently not foreseeable, e-fuels are not considered in the baseline of this study.“

The fact that cost efficiency improves greatly with the shift of production to countries with a lot of sun and wind remains unmentioned (more on this e.g. here). Political support for e-fuels is rejected with reference to such papers.

The common purpose of such writings is to urge decision-makers in politics and business to stick unswervingly to the e-car course. Quote:
„To align with Paris Agreement targets, the registration of new combustion engine vehicles should be phased out in the 2030-2035 time frame.“

SZ editors Max Hägler and Marlene Weiß claim that the ICCT paper invalidates Koch & Böhlke’s arguments.

Apparently, the English language and the many formulas of the Koch & Böhlke paper pose an insurmountable comprehension hurdle for some. Yet the content is actually straightforward. Basically, it was only proven that it is a serious methodological error to ignore in climate balances that additional electricity demand lowers the green electricity quota (as explained above). To claim that this is „invalidated“ by the ICCT paper is sheer nonsense.

The SZ authors do not seem to have even begun to understand the background of the topic. Their contribution is little more than an expression of delight at further promotion of e-cars from the scientific side.

Image source of the ICCT logo: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/b/b9/Icct_logo.png

*) Funded by the ClimateWorks Foundation, the William and Flora Hewlett Foundation, the Energy Foundation and the David and Lucile Packard Foundation.

Addendum

On 3 August, FOCUS published an article on this topic that is well worth reading:

New electric study under the microscope: How electric cars are being glossed over.

Quotes from it:
„For FOCUS Online, Prof. Dr. Alexander Eisenkopf, economics and transport expert from the Zeppelin University in Friedrichshafen, has evaluated the ICCT study and considers it to be of little significance in many respects. …
The ICCT study uses too many optimistic assumptions and at the same time omits too many aspects – such as advances in combustion technology or CO2 reduction through synthetic fuels – to actually serve as the definitive argument for an all-electric course that it is marketed as.“

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