Norwegen – ein Paradies glücklicher Elektroauto-Fahrer?

Weil der Marktanteil der Elektroautos in Norwegen bei 90 % liegt, wird dieses Land gerne als leuchtendes Vorbild für nachhaltige Mobilität gepriesen. Früher oder später werde es auch bei uns so kommen, wird gerne behauptet.

Es lohnt sich, genauer hinzuschauen. Warum fahren so viele Norweger ein Elektroauto? Geht es ihnen wirklich um „Nachhaltigkeit“? Und wie zufrieden sind sie damit?

Bloomberg hat darüber einen lesenswerten Beitrag veröffentlicht. Es folgen kommentierte Zitate in kursiv (in deutscher Übersetzung):

Wenn es sich für sie wirtschaftlich lohnt, kaufen die Menschen in großer Zahl E-Fahrzeuge.

Dieser politisch gewünschte Zustand wird durch die Erhebung und Umverteilung von Steuern aufrechterhalten. Erste Fördermaßnahmen in den 90er Jahren sollten den Absatz von zwei in Norwegen hergestellten Elektroautos ankurbeln:

Obwohl die Start-ups letztlich scheiterten, blieben die Maßnahmen bestehen und im Laufe der Jahre kamen weitere Anreize hinzu: Die Mehrwertsteuer wurde abgeschafft, die Autos erhielten Zugang zu Busspuren, das Parken war billiger und in vielen Fällen kostenlos, und die Fahrer mussten keine Gebühren für die Nutzung von Fähren oder Mautstraßen zahlen.

Das Gesamtpaket machte die Entscheidung für E-Fahrzeuge für eine wachsende Zahl von Norwegern zu einer naheliegenden Wahl.

Die Umstellung wurde beschleunigt, als Norwegens neue Mitte-Links-Regierung 2021 höhere Zulassungsgebühren für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor einführte.

Dem Land, das nicht zur EU gehört, entgehen dadurch Steuereinnahmen in Milliardenhöhe, die im Falle Norwegens durch Einnahmen aus fossilen Brennstoffen ausgeglichen werden können.

Es ist das gleiche Szenario wie im Rest der Welt. Weil das E-Auto keine überzeugenden Vorteile bietet, würde auch in Norwegen ohne staatliche Interventionen kaum jemand eines kaufen. Der Marktanteil stieg erst, als der Staat eingriff. Er hat per Gesetz künstliche Nachteile für Autos mit Verbrennungsmotor und ebenso künstliche Vorteile für Elektroautos geschaffen. Wer sich dem politischen Willen nicht beugen will, wird mit Schikanen im Alltag und höheren Steuern bestraft. Mit den Steuergeldern aller Bürger werden Geschenke an wenige finanziert, um die Kaufentscheidung zu beeinflussen.
Wie in allen anderen Ländern ist auch in Norwegen die Elektromobilität von Subventionen abhängig wie der Junkie von der Nadel.

Ist der Verbrenner erst einmal aufgrund politischer Entscheidungen ausgerottet, werden sich aber auch dort die E-Auto-Fahrer stärker an den von ihnen verursachten Kosten beteiligen müssen:

Zudem komme es in Norwegen immer wieder zu Staus auf den Busspuren, auf denen auch E-Autos zugelassen sind, und zu einem Wegfall an Einnahmen bei den Fährenbetrieben, da E-Autos von Gebühren ausgenommen sind.
Nicht zuletzt deshalb hat die norwegische Regierung in den vergangenen Jahren einige der Maßnahmen etwas angepasst. E-Autofahrerinnen und -fahrer müssen mittlerweile zumindest mit einem weiteren Passagier unterwegs sein, um die Busspur nutzen zu dürfen. Zudem dürfen Gemeinden seit 2017 maximal 50 Prozent der Park-, Maut und Fährengebühren verrechnen, die sonst bei Autos mit Verbrennungsmotor fällig werden. Seit einiger Zeit wird auch überlegt, die Mehrwertsteuer bei teureren und größeren E-Autos wieder einzuführen.

Das Recycling von immer mehr ausgedienten Akkus bereitet Probleme, wie der Leiter einer Autoverwertung berichtet. Er fordert daher:

Die Kunden sollten sich im Voraus an den Kosten für das Recycling beteiligen“
„Das Fahren eines Elektroautos ist nur ein Teil der Umweltgleichung“.

In der schönen neuen Elektroautowelt müssen die Kunden einige Unannehmlichkeiten hinnehmen:

Die Umstellung hat auch zu einem veränderten Verhalten geführt, z. B. zur Vorausplanung von Reisen und zur Mitnahme von Arbeit oder Unterhaltung, um sich die Zeit zu vertreiben, während man lädt oder zu Stoßzeiten auf das Laden wartet.

Das E-Auto erzwingt Ladepausen im Arbeitsalltag. Handwerker, die ihre Fahrzeuge nicht über Nacht laden können, müssen sich morgens gemeinsam mit ihren Kollegen an den Ladesäulen die Zeit vertreiben: „Die Verschwendung von Arbeitszeit beim Baumarkt wurde stets kritisch betrachtet, aber zumindest haben wir dort etwas Nützliches getan. Jetzt sitzen wir und essen Schokoladenbrötchen, während das Fahrzeug die Batterien auflädt, um den Arbeitstag zu bewältigen.“

Ich glaube nicht, dass die Norweger mehr Lust haben als die Amerikaner, in der Schlange zu stehen, aber wir sind dazu gezwungen worden“, sagte Oyvind Solberg Thorsen, Direktor des norwegischen Straßenverbands. „Wir haben akzeptiert, dass es so ist“.

Zwang – das ist es also, was das neue E-Auto-Zeitalter den Norwegern gebracht hat.

Hat es denn wenigstens der Umwelt genützt?

Da 40 % des Fuhrparks der Stadt auf Elektrofahrzeuge entfallen, hat die Luftqualität in Oslo zu niedrigeren Konzentrationen von Smog verursachenden Stickoxiden geführt.

Hinweis: Neue Verbrenner hätten dank der Stickoxid-Nachbehandlung denselben Effekt erzielt.

Aber die Stadt hat immer noch mit Feinstaub zu kämpfen, der hauptsächlich durch Straßen- und Reifenabrieb entsteht. Die Batteriemodelle haben das Problem nicht wesentlich verschlimmert, aber auch nicht viel besser gemacht, sagte Tobias Wolf, der leitende Ingenieur für Luftqualität der Stadt.

So sieht sie also aus, die Umweltbilanz der E-Mobilität in Norwegen: „Die Batteriemodelle haben das Problem nicht wesentlich verschlimmert.“

Quelle der Zitate, sofern nicht mit einem Link hinterlegt:
https://www.bloomberg.com/features/2024-ev-market-norway/

Grafik: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:EV_parking_lot_Oslo_10_2018_3774.jpg

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