Zensur bei Twitter – ohne Angabe von Gründen

In der NZZ ist ein interessanter Artikel erschienen über die Verantwortung der Betreiber von sozialen Netzwerken für die Inhalte. Zitat daraus:

Der verstärkt auf Facebook einprasselnden Kritik, eine Plattform für Falschinformationen und Kampagnen zur Desinformation zu sein, begegnet der Konzern zunehmend mit Selbstregulierung: Allgemeine Benimmregeln, Fakten-Checker und ein neu eingerichtetes Oversight-Board sollen die aus dem CDA-Gesetz ergehende Gratwanderung zwischen Freiheit der Meinungen und Überschreitung der Grenze des Zulässigen bewerkstelligen.

Die NZZ macht auf die Gefahren aufmerksam, die sich daraus ergeben können:

Doch diese Art der Selbstregulierung ist höchst problematisch. Erstens rückt Facebook damit sehr nahe an eine verlegerische Tätigkeit heran. Und zweitens basiert sie auf der falschen Annahme, dass es nur eine Wahrheit gibt und dass Fakten von Meinung zu trennen sind. Eine vermeintlich objektive Einschätzung einer kontroversen Behauptung widerlegt Letztere aber nicht unbedingt.

So ist es.

Seit dem 10. November 2020 ist mein Twitterkonto gesperrt.

Twitter macht keine Angaben zu den Gründen. Ob ich gegen eine Regel verstoßen habe oder einem Elektroautofan aus der Führungsetage in San Francisco meine Beiträge missfallen – ich habe keine Ahnung. Bisher hat man mir nur dies mitgeteilt:

Hallo,

wir haben deinen Einspruch zu deinem Account erhalten. Bestätige bitte in einer Antwort auf diese Nachricht, dass du Zugriff auf diese E-Mail-Adresse hast. Wenn wir diese Bestätigung erhalten haben, werden wir die von dir angegebenen Informationen überprüfen und dir möglichst bald antworten.

Account-Sperrungen erfolgen in der Regel aufgrund von Verstößen gegen die Twitter Regeln (https://twitter.com/rules) oder die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (https://twitter.com/tos). Wiederholte Verstöße können dazu führen, dass ein Account permanent gesperrt wird.

Vielen Dank,

Twitter Support

Nachtrag
Am 18.11.2020 erhielt ich diese E-Mail:

Die Nachfrage „Won’t you tell me which rule I am violating?“ habe ich natürlich gestellt, erhoffe mir davon aber nichts mehr.
Die Situation ist kafkaesk. – Zum Glück gibt es noch andere Werbemöglichkeiten.

Nachtrag am 3.4.2022:
Seit September 2021 bin ich wieder auf Twitter unterwegs. Es genügte, ein neues Konto mit leicht verändertem Benutzernamen einzurichten.

Um die beim ersten Mal erlebten Probleme zu vermeiden, habe ich mir angewöhnt, den Mob aus meiner Timeline herauszuhalten. Wer die wenigen verfügbaren Zeichen für Wörter wie „Schwachsinn“ nutzt, wird von mir sofort stummgeschaltet. Diese Filterung scheint gut zu funktionieren; der Anteil lesenswerter Tweets ist deutlich gestiegen.

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