Falsch, Herr Sator: Fast alle Argumente gegen E-Autos treffen zu

Die allgegenwärtige Werbung für Elektromobilität konnte bislang nur eine Minderheit überzeugen.1 Der Wiener Journalist Andreas Sator möchte seinen Teil dazu beitragen, dies zu ändern. Im September 2023 erschien im österreichischen STANDARD ein Artikel von ihm mit dem Anspruch, zehn bekannte Einwände gegen E-Autos zu entkräften.

Sators (angeblicher) Versuch eines „kleinen Faktenchecks“ scheitert in allen Punkten.

Zu Beginn erklärt er es für überholt, „Milliarden Liter Flüssigkeit aus vor Millionen Jahren abgestorbenen Pflanzenresten aus dem Boden zu pumpen“. Es sei an der Zeit, die Autos „mit einer simplen Batterie zu betreiben und an der Steckdose anzuschließen“.

Weiß er wirklich nicht, woher der Strom aus der Steckdose kommt? Global wurden 2022 über 60 % in fossilen Kraftwerken erzeugt; fast 40 % durch die Verbrennung von Kohle und Öl!2

Dann behauptet er: „20 Prozent mehr Strom für E-Autos über die nächsten 20 Jahre zu erzeugen ist keine große Aufgabe.“

Die bekannten Energiewendeszenarien zeigen jedoch, dass Europa seinen steigenden Bedarf an erneuerbaren Energien auch in 20 Jahren nicht aus eigenen Quellen decken kann.3 Das gilt auch für Österreich, das in windstillen Nächten und vor allem im Winter heute schon auf Importe angewiesen ist – darunter schmutziger Strom u.a. aus Tschechien und Deutschland. Sator hat auf seine Weise darauf hingewiesen, dass in den Nachbarländern in den nächsten Jahrzehnten genügend fossile Kraftwerke bereit stehen werden, um eine steigende Zahl österreichischer E-Autos zu versorgen. Damit hat er sicher recht.

Er zitiert eine Energieagentur: „Wenn jeder Haushalt seinen Elektroherd gleichzeitig einschaltet, ist noch nie jemand auf die Idee gekommen, dass das ein Problem für das Netz sein könnte.“

E-Herde bereiten keine Probleme, weil sie erfahrungsgemäß eben nicht von allen gleichzeitig eingeschaltet werden. Darum dürfen bei der Auslegung der Netze niedrige Gleichzeitigkeitsfaktoren angewandt werden (für größere Wohneinheiten z.B. nur 18 %)4.

Das ist bei E-Autos nicht möglich.
2022 wurde in Deutschland in einem Feldversuch ein mittlerer Gleichzeitigkeitsfaktor von 50 % gemessen.5 Autoren von Studien haben schon vor Jahren auf dieses Problem hingewiesen und weitreichende Einschränkungen für Verbraucher vorgeschlagen: „In diesem Zusammenhang gilt es zukünftig zu klären, welches ‚Recht auf Mobilität‘ auch in der Niederspannungs-Ebene für jeden Netznutzer gewährt werden sollte und wie dieses definiert wird.“6
In Stellungnahmen von Verbänden zum Netzausbau ist unbeschränktes Laden nicht vorgesehen: „Das Nachladen der Fahrstrecke innerhalb der Standzeit des Fahrzeuges kann nicht mehr in jedem Fall garantiert werden. Insbesondere kurze Standzeiten sind davon betroffen.“7
Die deutsche Bundesnetzagentur gab Anfang 2023 Pläne bekannt, im Falle von Engpässen nur noch eine Basismobilität zu garantieren: Betroffene Haushalte sollen drei Stunden lang Strom für 50 Kilometer Fahrt laden können.8

Sators Beschwichtigungen halten einer Überprüfung nicht stand.

Er beschönigt auch die Umweltbilanz des E-Autos: „Beim heutigen österreichischen Strommix sorgt ein E-Auto laut Umweltbundesamt für 50 bis 60 Prozent weniger Treibhausgase als ein Verbrenner. Je mehr Sonne und Wind im Stromnetz ist, desto weniger klimaschädlich wird das.“

Diese Behauptungen beruhen auf einem leider auch von staatlichen und akademischen Institutionen angewandten Taschenspielertrick. Andreas Luczak, Professor für Regenerative Energien an der FH Kiel, schrieb dazu: „Tatsächlich wird jedoch für den zusätzlichen Ladestrom noch mindestens ein bis zwei Jahrzehnte lang ausschließlich die Auslastung fossiler Kraftwerke erhöht, da die vorhandene Menge von Ökostrom natürlich nicht dadurch gesteigert wird, dass man anstatt Benzin und Diesel zu tanken nun sein Elektroauto auflädt.“9

Die Korrektur dieses systematischen Fehlers lässt die Klimabilanz der Elektromobilität kollabieren, wie ein anderer Autor prägnant zusammenfasste: „Anhand der Zahlen steht klar und deutlich fest: E-Autos sind in Deutschland eine miserable Klimaschutz-Maßnahme. Ich kann gar keine CO2-Vermeidungskosten berechnen, weil bis 2045 kein CO2 vermieden wird.“10 Dabei sind die zusätzlichen Emissionen noch gar nicht berücksichtigt, die dadurch entstehen, dass 70 Prozent der Batterien überwiegend mit Kohlestrom in China produziert werden.

Die miese Klimabilanz der E-Mobilität gilt aufgrund des gemeinsamen Stromnetzes für ganz Europa. Dass z.B. Österreich seine Kohlekraftwerke abgeschaltet hat, ändert daran nichts, wie der österreichische Energieberater Mario Sedlak erklärt: „Produziert ein in Passau aufgeladenes Elektroauto mehr Kohlendioxid als eines, das zum Aufladen über die Grenze nach Österreich fährt? Nein, das ist absurd, da Österreich und Deutschland ein gemeinsames Stromnetz und einen eng verbundenen Strommarkt haben.“11

Sator übersieht zudem, dass BEV oft schon nach acht bis zehn Jahren ausgemustert werden, weil ein alterungsbedingter Defekt der teuren Batterie einen wirtschaftlichen Totalschaden bedeutet. Damit ist die Lebensdauer eines BEV in Europa nur etwa halb so lang wie die eines konventionellen Pkw, was den ohnehin viel höheren Rohstoffbedarf und damit die CO2-Emissionen bei der Herstellung noch einmal verdoppelt.

Zur befürchteten Verknappung des Rohstoffs Lithium zitiert Sator eine fachfremde Wissenschaftlerin: „Wir haben aber genug davon, wie Hannah Ritchie von der Universität Oxford vorrechnet.“12

Ritchie publiziert zu einer Vielzahl von Themen. Mit E-Autos hatte sie sich zuvor nicht befasst.13 Einerseits stellt sie korrekt fest (alle Zitate in deutscher Übersetzung): „Die Welt verfügt derzeit nicht über die Produktionskapazitäten im Bergbau, um dieses Niveau zu erreichen.“ Dann aber setzt sie unvermittelt auf das Prinzip Hoffnung: „Wenn wir etwas wirklich wollen, werden wir gut darin, es zu finden“.

Die Diagramme in ihrem Artikel weisen allerdings nur unbedeutende Zuwächse aus, und viele Experten teilen ihren Optimismus nicht:

• Das Tempo des Ausbaus „liege nach Expertenmeinung weit unter dem, was eine angemessene weltweite Versorgung sicherstellt.“14 Eric Norris, Leiter des Lithiumgeschäfts von Albemarle: „Selbst wenn mehr Lithiumminen gebaut würden, gebe es nicht genügend Anlagen, um zentrale Komponenten von E-Auto-Batterien herzustellen.“

• Der Geologe und Rohstoffexperte Jochen Kolb vom Karlsruher Institut für Technologie ist angesichts der rasch steigenden Nachfrage nach Lithium ebenfalls skeptisch: „Wir sehen bisher noch keine Tendenz, dass sich auch die Kapazitäten in den Bergbaugebieten in ähnlicher Art und Weise erhöhen.“15

• Prof. Simon Michaux, Associate Professor für Mineralaufbereitung und Geometallurgie am Geological Survey of Finland, kommt anhand von Daten der International Energy Agency zu dem Ergebnis, dass für eine Elektrifizierung des weltweiten Bestands an Autos die Weltproduktionsmengen des Jahres 2018 von Nickel, Kobalt, Lithium und Graphit jahrzehntelang exklusiv für E-Autos reserviert werden müssten.16

Sator bagatellisiert auch die Umweltschäden der Lithiumgewinnung. Es sei „völlig klar, dass E-Autos viel weniger Schäden verursachen“ und „weniger Ressourcen verbrauchen … Für die gesamte Energiewende inklusive der Windräder, PV-Anlagen, E-Autos, Netze usw. brauchen wir derzeit sieben Millionen Tonnen Materialien.“
Diesen Rohstoffbedarf vergleicht er mit dem Verbrauch an Brennstoffen: „Derzeit fördern wir im Jahr laut Ritchie acht Milliarden Tonnen Kohle, vier Milliarden Tonnen Öl und drei Milliarden Tonnen Gas – mit horrenden Auswirkungen für die lokale Bevölkerung, die Biodiversität und das Klima.“
Doch das ist irreführend, weil auf diese Weise die Aufwände zur Gewinnung der Rohstoffe ausgeblendet werden: „Für die Herstellung einer einzigen EV-Batterie müssen mehr als 500.000 Pfund an Abraum irgendwo auf der Erde abgebaut, transportiert und verarbeitet werden – das ist 20 Mal mehr als die 25.000 Pfund Erdöl, die ein Verbrennungsmotor während der Lebensdauer eines Autos verbraucht.“17

Die daraus folgenden Umweltschäden sind heute schon enorm. Die deutsche Tagesschau berichtete: „Während im ‚Lithium Dreieck‘ Lateinamerikas Bäche austrocknen, Flüsse verschwinden und vielerorts die karge Vegetation verdorrt, hofft Präsident Alberto Fernandez, Argentiniens Lithium-Produktion bis 2030 zu verzehnfachen.“18

Zur Reichweitenangst meint Sator lapidar: „Dieses Problem hat sich erledigt. Die mittlere Reichweite eines E-Autos hat sich seit 2011 fast vervierfacht. 2021 lag die durchschnittliche Reichweite schon bei 350 Kilometern.“
Um die teuren Batterien zu schonen, sollen diese jedoch möglichst nur mit Ladezuständen zwischen 20 % und 80 % betrieben werden. Das senkt die sorglos nutzbare Reichweite auf 210 km. Der Leser möge selbst entscheiden, ob ihm das genügt.

Sator behauptet ferner: „Neue E-Autos sind heute in den meisten Fällen inklusive Förderungen schon billiger als vergleichbare neue Verbrenner.“
Volkswagen/Österreich gibt für einen ID.3 mind. 39.890 € an (Stand: 11. Februar 2024). Ein Golf ist schon ab 26.390 € zu haben. Das lässt sich mit dem österreichischen Kaufzuschuss von 5.000 € nicht ausgleichen.
Sator beruft sich auf des Weiteren auf Beispielrechnungen von Automobilclubs, die auf mehr oder weniger spekulativen Annahmen über zukünftige Kosten für Kraftstoff, Strom und Wartung basieren – und spätestens dann obsolet werden, wenn einmal der teure Akku zu ersetzen ist, sei es aufgrund von Alterung oder wegen eines Unfalls.

In Deutschland bereut wegen der hohen Strompreise nachweislich heute schon jeder zweite E-Auto-Besitzer den Kauf.19 Das widerlegt eine weitere Behauptung von Sator: „De facto wünscht sich niemand, der auf ein E-Auto umgestiegen ist, seinen alten Verbrenner zurück.“

Über den Energieverbrauch von Autos repetiert Sator einen weit verbreiteten Denkfehler: „Ein E-Auto braucht laut Umweltbundesamt nur 23 bis 33 Prozent der Energie, die ein Verbrenner für dieselbe Strecke braucht.“

Auch das ist irreführend, denn mit solchen so genannten Tank-to-Wheel-Betrachtungen werden die Bereitstellungsaufwände ausgeblendet: „Oft wird so getan, als ob die Stromerzeugung verlustfrei wäre, indem die thermische Energie der Dieselverbrennung mit elektrischer Energie gleichgesetzt wird. … Wir müssen schon Gleiches mit Gleichem vergleichen. Beim gleichen Ausgangspunkt und Berücksichtigung der Vorkette zur Stromerzeugung sind die Wirkungsgrade von Elektroautos und Dieselautos vergleichbar bei rund 20%.“20

Einige Autohersteller haben angekündigt, zukünftig keine Verbrenner mehr zu verkaufen. Sator kommentiert das allen Ernstes mit den Worten, „der Markt habe sich längst entschieden“. Ist ihm wirklich entgangen, dass der Gesetzgeber das E-Auto mit hohen Subventionen und dem Verbot von Alternativen gegen den Widerstand der Kunden in den Markt drücken muss? Die Hersteller folgen keineswegs den Marktkräften, sondern fügen sich notgedrungen staatlichen Zwangsmaßnahmen aus Brüssel.

Die Brandgefahr von E-Autos versucht Sator mit geschickt gewählten Worten zu vertuschen: „Einer der größten Medienmythen sind brennende Elektroautos. E-Autos brennen bei einem Unfall nicht öfter als Verbrenner.“

Das ist durchaus zutreffend, blendet jedoch den Sator weniger genehmen Teil der Wahrheit aus. Denn wenn E-Autos brennen, dann wird es richtig gefährlich. Zitat aus der NZZ: „Erst kürzlich hat der Industrieversicherer der Allianz (AGCS) vor erhöhtem Brandrisiko durch den Transport von Lithium-Ionen-Akkus auf Schiffen gewarnt. Die Brände seien tückisch, weil sie schwer zu löschen seien und sich spontan erneut entzünden könnten.“21

Fazit:
Wie die Nachbarländer, so zieht auch Österreich aus der staatlich erzwungenen Durchsetzung der Elektromobilität keinen Nutzen:

• Die Treibhausgasemissionen sinken aufgrund des fossilen Zusatzstroms nicht

• E-Autos haben einen geringeren Gebrauchswert und sind trotz der hohen Subventionen teurer

• Die externalisierten, d.h. der Allgemeinheit aufgebürdeten Kosten für den zusätzlichen Netzausbau und die Ladeinfrastruktur sind hoch

• Österreich wird netto Arbeitsplätze verlieren, je mehr europäische Werke zur Herstellung von Autos mit Verbrennungsmotoren geschlossen werden

Vor diesem Hintergrund ist umso erstaunlicher, dass so viele Journalisten sich bereitwillig an Werbekampagnen für Fossilstromautos beteiligen.

Kai Ruhsert, 11. Februar 2024

Bildquelle: Wikimedia (https://shorturl.at/gmuwT)

Quellen:

1 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1327516/umfrage/umfrage-zum-kaufinteresse-an-elektroautos-in-oesterreich/

2 https://www.tech-for-future.de/energie-welt/#easy-footnote-6-3366

3 https://www.tech-for-future.de/abhaengigkeit/

4 https://www.tugraz.at/fileadmin/user_upload/Institute/IEE/files/ENDGUELTIG____Elektromobilitaet_Studie_ENDVERSION_hoheQualitaetiw290610.pdf

5 https://www.zeit.de/news/2022-11/25/vertraegt-das-stromnetz-millionen-wallboxen

6 ttps://www.dena.de/fileadmin/dena/Dokumente/Pdf/9261_dena-Leitstudie_Integrierte_Energiewende_lang.pdf

7 https://www.agora-verkehrswende.de/veroeffentlichungen/studie-verteilnetzausbau-fuer-die-energiewende/

8 https://www.merkur.de/wirtschaft/energiekrise-e-autos-strom-drosseln-bundesnetzagentur-chef-klaus-mueller-waermepumpen-ueberlastung-zr-92030143.html

9 https://www.pv-magazine.de/2021/12/20/mythen-der-elektromobilitaet-sinnvoller-klimaschutz-oder-teure-industriesubvention/?

10 https://www.tech-for-future.de/elektroautos/

11 https://sedl.at/Umweltirrtuemer/Elektroauto/Kohlendioxid

12 https://www.sustainabilitybynumbers.com/p/lithium-electric-vehicles

13 https://scholar.google.com/citations?user=Jqv8-O4AAAAJ&hl=en

14 https://ecomento.de/2023/06/29/lithium-knappheit-koennte-elektroauto-umstellung-bremsen/

15 https://www.wienerzeitung.at/h/der-kampf-um-das-weisse-gold

16 https://www.gtk.fi/en/current/a-bottom-up-insight-reveals-replacing-fossil-fuels-is-even-more-enormous-task-than-thought/

17 https://manhattan.institute/article/mines-minerals-and-green-energy-a-reality-check

18 https://www.tagesschau.de/wirtschaft/weltwirtschaft/lithiumabbau-argentinien-100.html

19 https://www.merkur.de/wirtschaft/elektroauto-deutsche-kauf-leasing-unzufriedenheit-strompreis-energiekrise-92540292.html

20 https://www.tech-for-future.de/elektroautos/

21 https://www.nzz.ch/panorama/elektroauto-sorgt-vor-niederlaendischer-kueste-fuer-brand-auf-frachtschiff-eine-person-kommt-ums-leben-ld.1748956

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